Ich bin eine Ausdauersportlerin oder auch einfach nur ein Bewegungsmensch. Ich liebe Bewegung in allen Varianten zu allen Jahreszeiten – und vor allem draußen bei jedem Wetter! Ich brauche keine Wettkämpfe und keine A und B Noten. Ich brauche einfach nur regelmäßigen Auslauf 😊, bitte!
Ich werde den Tag nie vergessen, an dem mein Yogalehrer-Ausbilder, selbst früher Ausdauer-Leistungssportler, erklärte, dass sich ein Yogalehrer täglich seiner Yogapraxis zuwenden sollte, sonst ist er/sie kein echter Yogalehrer. Meine anmutende, aufmerksame Haltung wandelte plötzlich in eine Schockstarre und ich konnte meinen Ohren nicht glauben. Mein Hirn rechnete nebenbei hoch, wieviel Zeit es bräuchte meinen geliebten Ausdauer- und Klettersport und meine zusätzlichen sommerlichen Outdooraktivitäten, die Wege, die ich mit den Kindern auf dem Rad zurücklege, die Zeit fürs Arbeiten, Einkaufen und Haushalten plus die Zeit für Yoga in meinem normalen Alltag integrieren sollte. Gedanklich stempelte ich mich sofort als „unechte“ Yogalehrerin ab, die zwar mit Fachwissen, aber niemals mit Praxis glänzen könnte und damit im Grunde auf dem Yogamarkt einfach nur völlig überflüssig war. Das war frustrierend, aber vielleicht gab es ja ein Patenrezept vom Yogalehrer, der ja selbst ausdauerverliebt scheint bzw. schien? Seine Antwort auf die Frage, wie er seine Ausdauerleidenschaft im Alltag unterbringe versetzte mir einen Schlag ins Gesicht, ich verlor sogar das Gleichgewicht und wich schnell an die Wand hinter mir, um nicht umzufallen. Mit einem Selbstverständnis und yogischer Anmut antwortete er mir, dass er natürlich nichts anderes mehr tun würde, außer Yoga! Sonst könnte man ja kein Yogalehrer sein. Ich traute mich noch leise zu fragen „nicht mal joggen?“ Nein! Das war seine Antwort. Das musste nun bei mir erstmal sacken. Mein Bllick wanderte durch den Raum der Ausbildungsshüler und ich versuchte verzweifelt jemanden zu erspähen, der/ die noch andere Vorlieben außer Yoga hatte. Ich befragte einige, von denen ich annahm, sie würden zumindest ab und an etwas tun. Aber die Antwort war immer dieselbe: Nein, ich mache natürlich vorwiegend Yoga, sonst wäre ich ja nicht hier in der Ausbildung.
Ich habe daraufhin damit begonnen mein „Training“ zu periodisieren. Wenn ich viel laufen wollte, habe ich keine Yogakurse gegeben. Wenn ich länger in den Bergen unterwegs sein wollte, auch nicht, denn ich habe bei meinen Lieblingsbewegungen immer an Flexibilität verloren.
Jahre später habe ich mich einen weiteren Lehrer von mir gefragt, wie man die Leidenschaft für den Ausdauersport mit dem Yoga verbinden könnte, denn ich wusste, dass er beides verband und auch Familie, Verantwortung und viele Termine hatte. Ich merkte dabei noch an, dass ich viel öfter yogieren müsste, als dass ich radfahren dürfte oder joggen, sonst käme ich nicht ordentlich in die Vorwärtsbeugen usw. Er erklärte mir, ich müsste dranbleiben. Immer wieder in die Yogapraxis und ihre Variationen gehen. Mit den Variationen kenne ich mich gut aus und auch mit therapeutischen Sequenzen. Das Handwerkszeug hatte ich, aber irgendwie fehlte immer noch die Zeit. Ich hatte meinen Wunsch regelmäßig zu meditieren schon ganz weit weggepackt, denn daran war gar nicht mehr zu denken.
Dieser besagte Lehrer widmet seiner eigenen Yogapraxis täglich 2 Stunden und erläuft sich seine Wege. Er hat ein geringes Schlafbedürfnis und muss wenig einkaufen, da er nur Rohkost isst ( etwas einfach gestrickte Aussage – ich weiß 😉) und die hat man ja schnell beisammen. Und egal, wie ich es gedreht habe, wie früh ich aufgestanden bin, ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf irgendwas, weil es einfach keine Freude machte und nur noch beschwerend und erzwungen wirkte.
Dann gab es eine Phase, in der ich ständig verletzt war. Es kam also noch der Frust hinzu und Phasen von „Bewegungsarmut“. Ab diesem Zeitpunkt war dann Zeit zum Meditieren, aber das musste auch erstmal gelernt werden. Dieses On-/Off von Bewegung, vor allem von Yoga kenne ich nun schon seit meiner Ausbildung, die ich mit einer chronisch entzündeten Schulter begonnen habe. Die Baustellen im Körper haben dann gewechselt. Auch im Sportstudium war das nicht anders, wenn ich genauer überlege.
Heute bin ich frei von all dem Druck und übe wann und wie oft ich will und es gibt Phasen, da brauche ich null Yoga!
Wenn man sich die Grundidee von Yoga bewusst macht, das „All-eins-Sein“, das „Verbinden mit allem“, dann kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass man das auch ohne Yoga schafft. Mir fällt es vor allem in allen zyklischen Bewegungsformen leicht in den Zustand der „Meditation in Bewegung“ zu gelangen. Oft genügen einige tiefe Atemzüge an der frischen, kühlen Luft und ich fühle mich mit allem verbunden. Ich brauche dazu keine Krähe oder Krieger. Und wenn ich Lust dazu habe, dann mach ich einfach eine asana.
Ich trage im Alltag bequeme Bekleidung plus Barfußschuhe, so dass ich mir jederzeit alle Strecken erlaufen kann. Ich habe meinen Laufrucksack bei mir und immer etwas zu trinken. Meine Hosen sind so bequem, dass ich jederzeit einen Sonnengruß darin machen kann und mein Körper mittlerweile so abgehärtet, dass ich auch im Herbst kurze und bequeme Shorts tragen kann.
Wenn ich bewusst durch den Alltag gehe, dann fallen mir immer mehr Situationen oder Reaktionen von mir auf, die sich maßgeblich verändert haben seit dem Zeitpunkt, an dem ich begonnen habe, bewusst zu leben. Ich feiere mich dann innerlich und manchmal passt auch ganz heldenhaft eine Kriegerhaltung im Wohnzimmer dazu! Und ich muss zugeben, dass ich den 2. Krieger am liebsten mag wegen dem fokussierten Blick über die ausgestreckte Hand! Und genau das ist es, was die Praxis des Körperbewusstseins ausmacht! Klar sein, präsent sein und den Fokus behalten!
Falls du dich angesprochen fühlst, von dem was ich schreibe, dann mach dich bitte frei von allen Ideologien, Dogmen, Empfehlungen usw. Folge der Freude, bleib in Bewegung – vor allem bewusst in Bewegung. Mehr braucht es nicht, Dankbarkeit wäre aber hilfreich 😊. Dazu kannst du etwas im nächsten Block lesen.
Herzlichst Silke