Mein Leben war schon ziemlich voll vor Corona. Viele Themen und Baustellen. Bereit zum Bergen, Sichten, Aussortieren und Loslassen. Zum Ausbruch dieses emotionalen Vulkans gesellte sich dann noch der Lock down. Hatte ich doch schon vorher vieles was ich tat einer Prüfung unterzogen und begonnen Bilanz zu ziehen und an den ersten Weichen zu stellen, bin ich, wie viele andere auch, erstmal auf einem Abstellgleis gelandet.
Meine Selbständigkeit war plötzlich auf Eis. Es kamen keine Einnahmen. Es gab keinen Plan für die Schulen. Die Kinder waren zuhause und gleichzeitig musste ich lernen als Lehrerin meinen Schulfachunterricht online darzubieten. Dazu wurde der Esstisch zum Arbeitsplatz und mein Yogaraum zum Homeoffice meines Mannes. Statt Yogamatte ruhten dort nun 3 Bildschirme und zwei Computer.
Der Beginn der Zoomania! Niemals wollte ich mich online sehen! Tja, ade Komfortzone! Ich war online, ich war sichtbar. Ich war über Nacht wieder 24h Mama, Haushälterin, Homeschooling-Mami, Online-Lehrerin, also warum nicht auch Online-Yoga? Neben Tutorials für die Schulkinder, die ich meist abends und am Wochenende mit Kolleginnen gedreht habe, habe ich meine ersten Online-Yogastunden gehalten. Das ist didaktisch was völlig Neues. Man sieht seine Teilnehmer nicht wirklich üben, weil man alles mitmacht, damit jeder mitkommt. Der auditive, als auch der visuelle Lerntyp. Daran ändert ja auch online nichts 😊.
Die Grenzen beginnen zu verschwinden. Man kann es morgens lässiger angehen lassen, dafür arbeitet man dann „gerne“ auch mal abends und am Wochenende geht schon auch mal, weil man ja nirgendwohin muss, außer an den Rechner. Irgendwie ist man permanent online und checkt die Akkustände der digital devices.
Ich beginne mich immer mehr von dem, was ich suche zu entfernen. Ich bin plötzlich müde. Ich bin irgendwie durch. Ich fühle mich leer, daran ändern auch gerade meine lieben Yogaschüler nichts, die sich auch nur zögerlich ans Online-Yoga wagen.
Aber ich habe plötzlich einige Zeitfenster am Vormittag gefunden und mir einen neuen Yogaraum eingerichtet. Es beginnt wieder zu fließen. Etwas Energie kehrt zurück. Ich melde mich für eine Trainerausbildung zum Thema Burn-Out an. Die findet jetzt online statt. Was für ein Luxus! Verrückt, dass hätte ich früher vermutlich nicht gedacht. Warum Burn-Out? Das weiß ich (noch) nicht so genau, aber es spricht mich an und es verbindet Bewegung an der frischen Luft, Yoga und Achtsamkeit. Also genau meins!
Und endlich habe ich wieder Zeit für Personal Coachings! Das habe ich mir schon so lange wieder gewünscht. Und meine erste Coachee liegt mir besonders am Herzen! Ich erinnere mich an eine Zeit, da habe ich in meinen Yogastunden eine Kerze für sie angezündet und sie in die Herzmeditation eingeschlossen und ein Licht brennen lassen. Das war eine Zeit, wo nicht klar war, ob sie es über den Berg schaffen wird! Ich habe schon oft mit Menschen zu tun gehabt, die es nicht über den Berg geschafft haben und glücklicherweise häufiger mit denen, die es geschafft haben, dennoch war dieses Coaching irgendwie anderes. Jedes Mal, wenn ich eine Stunde vorbereitet habe, habe ich meine innere Stimme gefragt, „Was meinst du, was passt besser?“ Und jedes Mal habe ich Herz vor Hirn gesetzt. Es war gedacht als Yoga-Coaching, aber ich glaube es ist eher so etwas wie ein Life-Coaching geworden, ein Work-Life-Coaching, ein Lost-Life-Found-Life Coaching.
Wir haben yogiert, geatmet, gelacht, gefühlt, geträumt, Gewahrsein praktiziert und zielgerichtet auch was für die Physis getan, die Muskeln gestärkt und Bio-Hacking betrieben und gezielt das vegetatives Nervensystem und damit auch das Immunsystem „in Stimmung“ gebracht für all die Berge, die da noch kommen mögen!
Mit ihr zu arbeiten, war viel dichter und noch viel ehrlicher dran, als mit meinem Krebspatienten und ich ahne auch wieso. Nach meiner M2W- „Burn-Out Trainerausbildung“ wusste ich auch genau warum. Weil wir austauschbar sind! Wenn ich weiter Raubbau mit meinen Ressourcen betreibe, dann könnte ich trotz regelmäßigem Sport, Yoga und Achtsamkeit auch mal ganz tief fallen – gerade weil ich so viel mache. Ich gehöre zu den Kandidaten, die eher „überregulieren“. Ausdauersport jeglicher Art in der Natur gibt mir Lebenskraft, nur leider reagiert mein Immunsystem darauf regelmäßig mit Infekten, mein Darm regelmäßig mit neuen Unverträglichkeiten, meine Muskeln und Knochen regelmäßig mit neuen Schmerzen. Auch wenn ich aus dem Stehgreif eine Marathondistanz laufen kann, mit 14 kg auf dem Rücken die Alpen durchquere, bedeutet das nicht, dass ich dabei meine Akkus auflade, obwohl ich es liebe! Das ist ein Paradox, aber so ist es. Ich vergleiche es mit dem Kuchen backen. Die Zutaten für den Kuchen sind dieselben, nur ist der eine Kuchen nachhaltig und bekömmlich und der andere schmeckt nur im Moment gut! Die Dosis macht das Gift wusste schon Paracelsius.
Ich plane eine 180 Grad Wendung. Einen Ausstieg, eine Auszeit, Zeit zum klar werden und erholen. Keine Ärztefortbildungen mehr vorbereiten, kein neues Yoga für Krebspatienten, keine neuen Firmenyogakurse, keine privaten Kurse mehr. STOP. Zeit für mich. Zeit für Lebensfreude, für Genuss, Ruhe und Natur.
Doch kann man mit all dem was man sich so hart erarbeitet hat, einfach so brechen und wenn ja, wie? Auf jeden Fall kann man. Eindeutig JA! Diesmal war mein Coachee mein Coach und hat aus eigener Erfahrung nur noch mal wiederholt, was ich ihr selbst geraten habe.
Meine Nacht daraufhin ist unruhig und dennoch ruhig. Sie endet um 5 Uhr morgens. Ich bin hellwach. Ich habe die Matte ausgerollt und meine 1. Ashtanga Serie geübt. Ich habe geatmet und meditiert. Ich habe versucht Worte zu finden für eine Mail, die ich an meine Schüler schicke, um meine große Pause anzukündigen.
Erhalten habe ich einen Link zu dem neuesten Blogartikel meiner Coachee und gestern noch persönliche Business-Beraterin. Sie lässt Revue passieren, was ihr in den letzten Wochen widerfahren ist, welche Entwicklung sie hingelegt hat. Genau das, für das ich noch Zeit suche. Zeit für die Reflexion, Anerkennung all dessen, was ich in den letzten Monaten bewältigt habe. Und zwischen ihren Zeilen da finde ich noch viel mehr. Viel mehr, als da steht und….
plötzlich fühlt es sich völlig falsch an, Ärzte nicht fortzubilden und ihnen nicht zu erzählen, was Bewegung und Entspannung beim Schwerstkranken für Erfolge auf mentaler und körperlicher Ebene haben kann, halte ich es für vermessen, mein Wissen nicht an Menschen zu geben, die davon wirklich profitieren können.
Die Balance, die ich suche, finde ich nicht, wenn ich etwas aufgebe in einem Bereich, in dem ich offenbar viel geben kann. Ich werde meine Auszeit noch mal überschlafen. Vielleicht muss ich gar nicht mit all dem Brechen, sondern nur mal ganz flott die Bedingungen zugunsten meiner Bedürfnisse verändern! Und tatsächlich haben sich meine Bedürfnisse seit dem Lock Down geradezu manifestiert. Sie zeigen sich mir nun unwiederbringlich. Das ist neu, denn davor gelang es mir sie besser wegzudrücken.
Obwohl ich nicht weiß, wie es weitergeht, bin ich doch glücklich, denn ich weiß, wo ich die Antwort finde! Irgendwann, irgendwie in einer meiner kommenden Meditationen! Ich weiß, dass es nur Zeit braucht. Das Herz spricht nur, wenn man sich einlassen kann, es einsickern lässt. Es misst nicht in unserer Zeit, es hat seine eigene Zeit.
Ich werde meinen Schülern erzählen, dass ich eine kleine Reise unternehmen werde, die mich zu dem führen darf, was ich wirklich brauche, was mich nährt, was ich liebe, wo ich wieder auftanken kann und ich weiß nicht, wo mich das hinführt. Aber der Weg des Herzens ist auch der Weg, den der Yoga nehmen würde und wer sucht schon eine Yogalehrerin mit Hirn ohne Herz 😉.
Wann hast DU dich das letzte Mal gefragt, was du wirklich brauchst?
@Petra (https://www.pcarlile.de/2020/06/15/wieder-da-leben-ich-komme/) ICH DANKE DIR!